
31 März Marsala – Der sizilianische Likörwein mit Geschichte, Charakter und Kultstatus
Wer bei Marsala nur an einen Schluck für die Sauce denkt, verpasst eine der schillerndsten Weinikonen Italiens. Der bernsteinfarbene Likörwein aus dem Westen Siziliens gehört zu den ältesten und faszinierendsten Weinstilen Europas. Mit seiner einzigartigen Herstellung, seinem intensiven Charakter und seiner außergewöhnlichen Lagerfähigkeit hat sich Marsala weltweit einen Namen gemacht. Ursprünglich für die britische Marine produziert, ist er heute fester Bestandteil italienischer Weinkultur – sowohl in der Küche als auch im Glas. In diesem Artikel werfen wir einen genussvollen Blick auf die Geschichte, Geografie, Rebsorten, Herstellung, Qualitätsstufen und kulturelle Bedeutung dieses außergewöhnlichen Weins.
Ursprung & Geschichte – Wie ein Engländer Sizilien veränderte
Die Geschichte des Marsala beginnt im Jahr 1773 mit dem Engländer John Woodhouse. Auf einer Reise durch Sizilien entdeckte er den lokalen, verstärkten Wein und erkannte sofort dessen kommerzielles Potenzial. Er fügte dem Wein Branntwein hinzu, um ihn für den Schiffstransport haltbar zu machen – ganz nach dem Vorbild von Portwein und Sherry. Der “neue” Marsala traf den Geschmack der britischen Oberschicht, und bald wurde Marsala weltweit gehandelt. Ende des 18. Jahrhunderts war Marsala ein Exportschlager. Weitere englische Familien, darunter die Inghams und Whitakers, etablierten sich als bedeutende Produzenten in Sizilien. Anfang des 19. Jahrhunderts stieg auch die Familie Florio – eine der bedeutendsten italienischen Dynastien – ins Marsala-Geschäft ein. Sie professionalisierten die Produktion und schufen Weine von hoher Qualität, die bald auch in den Königshäusern Europas geschätzt wurden. Heute ist Marsala ein DOC-geschützter Wein (Denominazione di Origine Controllata), der ausschließlich in einem genau definierten Gebiet rund um die Stadt Marsala produziert werden darf.
Geografische Herkunft – Sonne, Wind und Kalkböden
Marsala wird im Westen Siziliens produziert, vor allem in der Provinz Trapani. Die Region profitiert von einem mediterranen Klima mit langen, sonnigen Sommern und milden Wintern. Die Nähe zum Meer sorgt für konstante Winde, die die Reben belüften und Krankheiten vorbeugen. Die Böden bestehen hauptsächlich aus kalkhaltigem Sandstein (Tufo) und Mergel, was dem Marsala seine feine Mineralität verleiht. Die salzige Luft der Küste prägt das Terroir entscheidend mit und sorgt für die typische Salzigkeit und Langlebigkeit des Weins. Das Anbaugebiet umfasst 20 Gemeinden, darunter Marsala, Mazara del Vallo, Trapani und Petrosino. Die Höhenlage der Weinberge reicht von Meereshöhe bis etwa 400 Meter und beeinflusst Stilistik und Intensität des Weins.
Rebsorten – Weiß & Rot mit Tradition
Für Marsala werden vor allem weiße Rebsorten verwendet. Die wichtigsten sind:
- Grillo: Die edelste Marsala-Rebe, bekannt für hohe Säure, Struktur und Alterungspotenzial.
- Catarratto: Ertragsstark und frisch, verleiht dem Marsala Frucht und Eleganz.
- Inzolia (Ansonica): Bringt florale und nussige Aromen, sorgt für Weichheit.
Bei den selteneren roten Varianten („Rubino“) kommen Rebsorten wie Nero d’Avola, Perricone und Nerello Mascalese zum Einsatz. Diese ergeben aromatische, dunkelfarbene Likörweine mit Aromen von Pflaume, Gewürzen und dunklen Beeren.
Der Herstellungsprozess – Alkohol trifft auf Reife
Marsala ist ein aufgespriteter Wein (“fortified wine”), bei dem dem Most oder Wein hochprozentiger Alkohol (meist aus Weinbrand) zugesetzt wird. Je nach Zeitpunkt des Zusatzes und verwendeter Technik entstehen unterschiedliche Stile und Süßegrade. Die wichtigsten Schritte:
- Lese & Pressung: Die Trauben werden je nach Stilistik früher (für trockene Varianten) oder später (für süßere Typen) gelesen.
- Fermentation: Der Most gärt teilweise oder komplett. Für süße Marsala wird die Gärung früh gestoppt.
- Aufspritung: Weinbrand wird zugegeben, um die Gärung zu beenden und den Alkoholgehalt auf ca. 17–20% zu erhöhen.
- Reifung: Der Marsala reift je nach Qualität zwischen einem Jahr (Fine) und über zehn Jahren (Vergine Riserva) in Holzfässern aus Kastanie oder Eiche. Die Lagerung erfolgt traditionell in großen Kellern, oft unter der Erde, wo gleichbleibende Temperaturen herrschen.
Eine besondere Technik ist das “in perpetuum”-System, bei dem jüngere Weine mit gereiften Marsalas vermischt werden – ähnlich wie das Solera-Verfahren beim Sherry.
Typen & Qualitätsstufen – Von Fine bis Vergine Riserva
Marsala wird je nach Farbe, Süßegrad und Reifezeit klassifiziert:
Farbe:
- Oro (golden)
- Ambra (bernsteinfarben)
- Rubino (rubinrot)
Süßegrade:
- Secco (bis 40 g/l Restzucker)
- Semi-Secco (41–100 g/l)
- Dolce (mehr als 100 g/l)
Qualitätsstufen:
- Marsala Fine: mindestens 1 Jahr gereift
- Marsala Superiore: mindestens 2 Jahre
- Superiore Riserva: mindestens 4 Jahre
- Vergine (oder Soleras): mind. 5 Jahre, keine Süßung
- Vergine Riserva: mindestens 10 Jahre, trocken, hochwertig
Kulturelle Bedeutung & Genussvielfalt
In Italien ist Marsala sowohl Genussmittel als auch Kulturgut. Er wird als Aperitif, Digestif oder zum Dessert gereicht. Besonders in Sizilien genießt man ihn pur, bei Zimmertemperatur oder leicht gekühlt. Berühmt ist auch seine Rolle in der italienischen Küche: Klassiker wie Scaloppine al Marsala oder Zabaglione (Weinschaumcreme) leben vom einzigartigen Aroma des Weins. Marsala veredelt auch Soßen, Wildgerichte, Käse oder Süßspeisen. Darüber hinaus ist Marsala in der sizilianischen Identität tief verankert. Die historischen Weinkeller von Florio oder Pellegrino gehören zu den touristischen Highlights der Region und spiegeln den Stolz auf diese traditionsreiche Weinspezialität wider.
Marsala weltweit – Zwischen Comeback und Kult
In den 1970er- und 80er-Jahren geriet Marsala international in den Schatten modernerer Weinstile. Heute jedoch erlebt er eine Renaissance. Qualitätsbewusste Winzer setzen auf traditionelle Herstellungsverfahren, geringere Süßung und alte Rebsorten. Besonders in Gourmetkreisen und unter Sommeliers wird Marsala als “neuer alter Klassiker” gefeiert. Auch in Deutschland steigt das Interesse – sowohl im Fachhandel als auch in der Gastronomie. Immer mehr Konsumenten entdecken die Vielfalt und Eleganz, die ein gut gereifter Marsala bieten kann.
Fazit: Ein sizilianischer Schatz im Glas
Marsala ist weit mehr als ein Kochwein. Er ist ein Stück italienischer Geschichte, ein Ausdruck sizilianischer Leidenschaft und ein Wein mit beeindruckender Bandbreite. Ob als feiner Aperitif, eleganter Dessertwein oder vielseitiger Küchenbegleiter – Marsala hat seinen festen Platz im Pantheon der großen europäischen Weine. Ein Glas Marsala erzählt von Sonne, Meer, Tradition und britischem Unternehmergeist – und ist damit ein Muss für alle, die Italiens Weinkultur in ihrer ganzen Tiefe erleben möchten. Salute!
Sorry, the comment form is closed at this time.