
26 Mai Focaccia – Zwischen Antike, Olivenöl und ofenwarmen Glücksmomenten
Die Ursprünge der Focaccia reichen weit in die Vergangenheit zurück – weiter sogar als die Pizza. Schon bei den Etruskern und Römern war das Prinzip eines flachen, mit Öl bepinselten Brotes bekannt, das in der Glut oder auf heißen Steinen gebacken wurde. Der Name Focaccia leitet sich vom lateinischen „focus“ ab, was so viel bedeutet wie „Herd“ oder „Feuerstelle“. In der Antike galt das flache Brot nicht nur als nahrhafte Mahlzeit für die ärmere Bevölkerung, sondern wurde auch in religiösen Zeremonien verwendet. Besonders in Ligurien und entlang der Mittelmeerküste entwickelte sich über die Jahrhunderte eine eigene Brotkultur – mit der Focaccia im Zentrum. Heute ist sie aus der italienischen Alltagsküche nicht mehr wegzudenken – sei es als Frühstück, Snack oder festliches Street Food.
Regionalvielfalt – Focaccia ist nicht gleich Focaccia
Wer denkt, Focaccia sei nur ein „langweiliges Fladenbrot“, hat vermutlich nie einen echten Streifzug durch die italienischen Regionen unternommen. Denn Focaccia ist ein kulinarisches Chamäleon, das sich je nach Region, Stadt oder sogar Dorf komplett anders präsentiert – in Optik, Konsistenz, Geschmack und sogar im Namen. Keine Focaccia ist wie die andere, und genau das macht ihren Reiz aus.
Ligurien – Die Wiege der Focaccia
Wenn man von Focaccia spricht, denken die meisten sofort an die klassische Focaccia Ligure aus Genua. Hier in Ligurien, wo die salzige Meeresluft über die Küste streicht, begann der Siegeszug dieses köstlichen Hefeteigs. Die „Fügassa“, wie sie die Genueser liebevoll nennen, ist flach, goldgelb und wird großzügig mit Olivenöl Extra Vergine und groben Meersalzflocken bestreut. Mal mit Rosmarin, mal pur – aber immer mit dieser unverwechselbaren, leicht knusprigen Kruste und dem saftigen Inneren. Besonders kurios: In Genua und Umgebung isst man Focaccia nicht selten zum Frühstück, und das nicht etwa trocken, sondern tatsächlich in den Cappuccino getunkt! Diese süß-salzige Kombination klingt für Außenstehende vielleicht ungewöhnlich, ist aber für viele Ligurier der ultimative Start in den Tag – ein Stück gelebte Alltagskultur.
Focaccia di Recco – Die Käsekönigin Liguriens
Ebenfalls aus Ligurien stammt eine der edelsten Varianten: die Focaccia di Recco, benannt nach dem gleichnamigen Ort an der Riviera di Levante. Diese Spezialität hat nichts mit der fluffigen Focaccia aus Genua gemein. Hier treffen zwei hauchdünne, fast blätterteigartige Teigschichten aufeinander, dazwischen schmilzt cremiger Stracchino-Käse. Außen knusprig, innen zart schmelzend – ein absolutes Geschmackserlebnis. Kein Wunder, dass diese Spezialität geschützt ist (IGP – Indicazione Geografica Protetta). Wer sie einmal frisch aus dem Steinofen probiert hat, versteht sofort, warum sie für viele als die „Champagner-Variante“ der Focaccia gilt.
Apulien – Mediterrane Focaccia-Power
Weiter südlich, in Apulien, erlebt die Focaccia eine völlig neue Interpretation. Die berühmte Focaccia Barese aus Bari wird aus einem Kartoffel-Hefeteig hergestellt. Die Zugabe von gekochten, zerstampften Kartoffeln macht den Teig besonders weich, saftig und locker – fast schon wie ein luftiges Kissen. Belegt wird diese Variante mit süßen, in der Sonne gereiften Kirschtomaten, schwarzen oder grünen Oliven, etwas Oregano und – natürlich – Olivenöl in Hülle und Fülle. Jede Bäckerei hat hier ihr eigenes Rezept, und jede Familie schwört auf ihre ganz persönliche Geheimzutat. Ob warm oder kalt, die Focaccia Barese ist der perfekte Snack für unterwegs, der Inbegriff apulischer Straßenküche und ein echtes Stück Heimat für die Einheimischen.
Und sonst? Vielfalt von Nord bis Süd
Doch Ligurien und Apulien sind nur zwei Beispiele. Überall in Italien gibt es lokale Focaccia-Traditionen: In der Toskana findet man Schiacciata all’Olio, oft pur oder mit grobem Salz. In Piemont wird Focaccia gerne süß gebacken, mit Zucker und Butter. Auf Sizilien gibt es Focaccia-ähnliche Brote wie die Sfincione Palermitano, belegt mit Tomatensauce, Zwiebeln und Pecorino. In der Emilia-Romagna wird Focaccia oft gefüllt, etwa mit Mortadella oder Käse. Ob als Frühstück, Snack, Beilage oder Hauptdarsteller – Focaccia ist Italien in seiner ganzen Vielfalt. Ein Teig, tausend Variationen, unendlicher Genuss.
Die Zutaten – Weniger ist mehr
Focaccia kommt traditionell mit wenigen Zutaten aus – doch deren Qualität ist entscheidend. Für die perfekte Focaccia braucht man:
- Mehl: Weizenmehl Typ 00 oder ein gutes Allzweckmehl
- Wasser: Lauwarm, damit die Hefe aktiviert wird
- Hefe: Frisch oder trocken – für die typische Luftigkeit
- Olivenöl Extra Vergine: Unverzichtbar! Es kommt in den Teig und obendrauf
- Salz & grobes Meersalz: Für Geschmack und Textur
- Optional: Rosmarin, Tomaten, Oliven, Zwiebeln, Kartoffeln oder Käse – je nach Stilrichtung.
Der Zubereitungsprozess – Einfach, aber mit Liebe
Focaccia ist keine Hexerei – aber sie erfordert Geduld. Der Teig wird weich und feucht angerührt, langsam gehen gelassen (teils über Nacht) und dann mit den Fingerspitzen in die Backform gedrückt – die berühmten „Dellen“ entstehen. Vor dem Backen wird großzügig Olivenöl darüber gegossen, manchmal mit Wasser gemischt, damit die Oberfläche besonders knusprig wird. Im Ofen (meist bei 220–250 °C) bäckt die Focaccia 20–30 Minuten und entfaltet dabei ihre unverkennbare goldene Kruste und ihren himmlischen Duft. Warm serviert, ist sie pure Magie.
Kulturelle Bedeutung – Zwischen Bar, Bäckerei und Dolce Far Niente
In Italien ist Focaccia mehr als nur Brot. Sie ist ein Teil des Alltags – ob als Pausensnack, Schulbrot, Bar-Frühstück oder Begleiter zum Aperitivo. In Ligurien holen sich die Menschen morgens eine frische Focaccia vom Forno, klappen sie zusammen wie ein Sandwich – und genießen sie oft im Gehen. Auf Märkten, Festen oder am Strand: Focaccia ist immer dabei. Sie symbolisiert Geselligkeit, Genuss ohne Eile und das typisch italienische Lebensgefühl – herzhaft, ehrlich und bodenständig.
Focaccia & Wein – Eine genussvolle Liaison
Focaccia und Wein? Und ob! Besonders zu Aperitivi oder Antipasti ist sie der ideale Begleiter. Zu einer klassischen Focaccia mit Rosmarin passt ein frischer Weißwein – etwa ein Vermentino oder Lugana. Bei kräftigeren Varianten mit Tomaten oder Oliven bieten sich leichte Rotweine wie ein Bardolino oder Lambrusco an. Auch Schaumweine wie Prosecco oder Franciacorta harmonieren hervorragend – vor allem zu einer Focaccia di Recco.
Focaccia international – Vom Forno bis zum Food-Truck
Während sie in Italien seit Jahrhunderten Teil der Brotkultur ist, erlebt Focaccia auch international einen Boom. In den USA wird sie in stylischen Cafés serviert, in Deutschland erobert sie Street Food-Märkte, und in hippen Bäckereien von Berlin bis Wien ist sie oft der heimliche Star. Besonders beliebt sind Focaccia Art-Kreationen, bei denen Gemüsestücke und Kräuter zu kleinen Kunstwerken arrangiert werden – Instagram lässt grüßen!
Focaccia ist mehr als Teig
Focaccia ist einfach – aber nie banal. Sie steht für Authentizität, für guten Geschmack aus wenigen Zutaten, für italienisches Lebensgefühl pur. Ihre regionale Vielfalt, ihr Duft, ihre Wandelbarkeit – all das macht sie zu einem der beliebtesten Gebäcke Italiens. Ob als Snack, Begleiter oder Hauptdarsteller – Focaccia ist gekommen, um zu bleiben. Und wenn du sie einmal frisch, warm und mit bestem Olivenöl probiert hast, wirst du wissen: So schmeckt Italien. Und du wirst nie wieder etwas anderes frühstücken wollen.
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